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Afghanistan, die Sowjets und der BND

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Afghanistan, die Sowjets und der BND

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Der Kalte Krieg trägt seinen Namen, weil es nie zum großen militärischen Schlagabtausch zwischen den beiden Weltmächten – den USA und der Sowjetunion – kam. Was noch lange nicht heißt, dass es in einigen Teilen der Welt nicht doch zu heißen Schlachten kam. Zum Beispiel am Hindukusch.

Die Sowjetunion marschierte im Dezember 1979 in Afghanistan ein, aus Angst, das Land als kommunistischen Vasallenstaat zu verlieren. Das militärische Abenteuer der Roten Armee erwies sich als Himmelfahrtskommando, das neun Jahre dauern sollte und tausenden sowjetischen Soldaten und über einer Millionen Afghanen das Leben kostete.

Bis zum Abzug der Sowjet-Armee im Februar 1989 war Afghanistan das größte Schlachtfeld des Kalten Krieges. Und ein Stellvertreterkrieg zwischen den Systemen. Der Westen unterstützte den afghanischen Widerstand, teils mit Waffen wie die USA, teils finanziell wie etwa Saudi-Arabien, teils mit humanitärer Hilfe wie im Fall der Bundesrepublik. Doch dabei blieb es nicht.

Gemeinsam mit dem ZDF haben wir in den vergangenen Monaten recherchiert. Unser Ergebnis: Deutschland war in den 1980er Jahren wesentlich stärker im Afghanistankrieg der Sowjetunion involviert, als bislang bekannt ist. Eine entscheidende Rolle dabei spielte der Bundesnachrichtendienst (BND).

In Gesprächen mit ehemaligen Agenten erfuhren wir, dass der BND jahrelang mit Wissen der Bundesregierung an der afghanischen Front präsent war, häufig in riskanten Einsatzen an der Seite der Mudschaheddin, und mit getarnten Labors im pakistanischen Grenzgebiet. Der Name der Operation lautete „Sommerregen.“

Krieg 1 KopieEin BND-Agent inspiziert sowjetisches Kriegsgerät in Afghanistan

Die Agenten aus dem bayerischen Pullach hatten eine besondere Mission: sie sollten sowjetisches Kriegsgerät beschaffen. Nirgendwo kamen derart viele moderne Waffen aus den sowjetischen Rüstungsschmieden zum Einsatz wie am Hindukusch. Kampfhubschrauber, Panzer, Kampfjets, Granaten, Raketen, Munition, Nachtsichtgeräte, Navigationssysteme – Afghanistan in den 1980er Jahren war eine wertvolle Fundgrube für den Westen.

Lesen Sie hier, wie der BND zum Waffensammler am Hindukusch wurde.

Mehr zur Rolle der deutschen Geheimagenten und der Bundeswehr im Afghanisch-Sowjetischen-Krieg, erfahren Sie in dem Dokumentarfilm „Unser Krieg“ von Michael Renz und Christian Deick, der am kommenden Dienstag, 8.Oktober 2013, um 20:15 Uhr im ZDF zu sehen ist.

Streng vertraulich! Das WELT Investigativ Blog


Florian Flade über den BND in Afghanistan

BND-Chef will Nachrichtendienst verschlanken

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BND-Chef will Nachrichtendienst verschlanken

BND-Chef Gerhard Schindler wünscht sich eine Behörde mit kleinerem Fokus. Künftig solle sich der BND auf weniger Regionen konzentrieren und mehr auf die Hilfe anderer Dienste zählen.

Von Florian Flade

Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, will seine Behörde zum Teil neu ausrichten. Der deutsche Auslandsgeheimdienst müsse sich auf weniger Regionen beschränken.

“Ich denke, es ist besser, weniger Aufgaben richtig, nämlich zu 100 Prozent, zu erfüllen, als viele Aufgaben nur halb”, zitierte die “Welt” Schindler aus einer Rede bei der nicht öffentlichen 1. Nachrichtendienst-Konferenz in Berlin, einer Veranstaltung für ehemalige Geheimdienst-Mitarbeiter und Fachleute, die vom Verein Gesprächskreis Nachrichtendienste in Deutschland e.V. und dem “Behörden Spiegel” organisiert wird.

Der BND müsse sich aufgrund der beschränkten Möglichkeiten in den vernachlässigten Regionen künftig noch stärker auf die Analyse befreundeter Geheimdienste verlassen als ohnehin schon, sagte Schindler weiter. In anderen Teilen der Welt, etwa in Syrien, sei der BND allerdings selbst gut organisiert und verfüge über gute, eigene Informationen.

Der Geheimdienstchef räumte bei seiner Rede auch eigene Fehler ein. Den Beginn des “arabischen Frühlings” beispielsweise, ausgelöst durch die Selbstverbrennung des tunesischen Gemüsehändlers Mohamed Bouazizi im Januar 2011, habe der Geheimdienst nicht früh genug als das erkannt, was es war.

Bessere Vernetzung der Arbeitsgruppen

“Ich bin sicher, es ist von einem Auslandsdienst zu viel verlangt, den Tropfen erkennen zu sollen, der das Fass zum Überlaufen bringt”, so Schindler. “Aber: Ich denke, Ziel sollte schon sein, den Wasserstand im Fass halbwegs richtig einschätzen zu können.”

Dies könne nur geschehen, in dem sich unterschiedliche Fachbereiche innerhalb des BND in “Arbeitsgruppen” stärker vernetzten. Bestimmte Ereignisse oder Entwicklungen müssten ganzheitlich analysiert werden.

Die Thesen Schindlers sind eine Folge der Affäre um den US-Geheimdienst NSA aus diesem Sommer, in deren Verlauf die enge Kooperation des BND mit ausländischen Geheimdiensten publik wurde. Der BND-Chef hatte sich bislang dazu öffentlich nur spärlich geäußert. Nun traute er sich mit einem vergleichsweise großen Wurf zumindest vor ein Fachpublikum.

Konferenz am 13. September

Die 1. Nachrichtendienst-Konferenz mit handverlesenen Teilnehmern fand bereits am 13. September statt. Inzwischen findet sich Schindlers Rede auf der Website des BND. Ob Schindler seine Thesen allerdings noch persönlich in die Praxis umsetzen kann, ist unsicher. Der BND-Chef ist bereits 61 Jahre alt.

Um sich selbst zu verbessern, müsse die Personalpolitik seines Dienstes modernisiert werden, sagte Schindler. Es gäbe derzeit zwar viele qualifizierte Bewerber für offene Stellen im BND. “Aber die Konkurrenz schläft nicht! Wenn wir die demografische Entwicklung nicht verschlafen wollen, müssen wir uns bereits jetzt bemühen, attraktiver zu werden.”

Dazu gehöre auch, das Einstellungsverfahren, besonders die Vorauswahl von Bewerbern, zu beschleunigen. “Derzeit dauert ein Einstellungsverfahren manchmal über ein Jahr. Das werden wir uns zukünftig nicht mehr leisten können.”

6500 Mitarbeiter derzeit

Derzeit verfügt der BND über rund 6500 Mitarbeiter, darunter circa 90 Auszubildende. Gefragt sind seit Jahren sowohl Fachleute im IT-Bereich und in technischen Berufen als auch Personen mit besonderen Sprachkenntnissen.

Wer sich beim BND bewirbt, unterläuft ein sehr hartes Auswahlverfahren und eine anschließende Sicherheitsüberprüfung (SÜ), bei der auch das Privatleben der Bewerber durchleuchtet wird.

Schindler kündigte an, dass der BND seine Öffentlichkeitsarbeit verstärken und künftig mehr Informationen preisgeben werde. So sollen neben Journalisten auch Laien bei verschiedenen Veranstaltungen einen Einblick in die Arbeit des Geheimdienstes erhalten.

“Lamentieren, dass man zum Beispiel von den Medien missverstanden wird, ist fehl am Platz”, erklärte der BND-Präsident. “Wir müssen unsere Öffentlichkeitsarbeit deutlich optimieren. Wir sind gefordert! Nicht die anderen!”

“Uns ist es in den letzten Jahren offensichtlich nicht gelungen, die Dimension der internationalen Zusammenarbeit im nachrichtendienstlichen Alltag Dritten zu vermitteln”, sagte Schindler. “Die internationale Zusammenarbeit ist Alltag, ist Routine geworden. Wir haben gemeinsame Operationen, wir tauschen unsere Analysen aus und manchmal auch unsere Rohdaten. Wir gleichen ab, fügen die Puzzleteile zusammen und verbessern gegenseitig unsere Lagebilder. Jeden Tag.”

Zusammenarbeit weitgehend akzeptiert

Auf politischer und militärischer Ebene sei eine enge Zusammenarbeit von befreundeten Staaten und Behörden weitestgehend akzeptiert und anerkannt – beispielsweise im Fall von Nato, Isaf oder G-8. Bei Geheimdiensten werde dies meist mit Skepsis betrachtet. “In der Öffentlichkeit besteht vielfach noch ein Bild über uns, das mit unserem Tun nicht viel gemein hat”, sagte der BND-Präsident. “Die Diskussionen der letzten Tage und Wochen haben dies deutlich gezeigt.”

Dabei sei eine verstärkte parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste zu begrüßen, so Schindler, um Transparenz und Vertrauensbasis zu stärken. “Dass die Öffnung nach außen für einen Geheimdienst immer eine Gratwanderung ist, ist klar. Aber es führt kein Weg daran vorbei.”

Innerhalb des BND sei im vergangenen Jahr bereits viel für eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit getan worden. Doch das reiche nicht, mahnte Schindler: “Wir wollen nicht mystifiziert werden, sondern für das genommen werden, was wir sind: ein fest im gesellschaftlichen System verankerter Dienstleister.”

Geheimniskrämerei an der falschen Stelle, sei unangebracht. Dabei nannte der BND-Präsident ein konkretes Beispiel: die Außenstellen des BND, also jene Einrichtungen, die nach außenhin als zivile oder militärische Einrichtungen getarnt sind, eigentlich aber zum Geheimdienst gehören. “Es macht keinen Sinn, dass die Außenstellen weiter unter einer Legendenstruktur geführt werden, wenn im Internet ihre Zugehörigkeit zum BND bereits nachzulesen ist.”

Der Artikel auf welt.de

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Deutsche Botschaft wegen Terrorgefahr geschlossen

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Deutsche Botschaft wegen Terrorgefahr geschlossen

Der BND hat vor einem möglicherweise bevorstehenden Terroranschlag auf das deutsche Botschaftsgebäude in Kabul gewarnt. In Folge wurde die Vertretung der Bundesrepublik in Afghanistan geschlossen.

Von Florian Flade und Dirk Banse

Es ist kein leichter Start für Martin Jäger, den neuen deutschen Botschafter in Afghanistan. Am 11.September, zwei Tage nach seinem 49. Geburtstag, trat der studierte Politikwissenschaftler und Völkerkundler offiziell seinen Dienst in Kabul an. Sein Ziel sei es, schrieb Jäger in seinem ersten Grußwort, die deutsch-afghanischen Beziehungen und das freundschaftliche Verhältnis zwischen beiden Ländern auszubauen. Auch nach dem vollständigen Abzug der Bundeswehr  im kommenden Jahr. Jetzt gerät der deutsche Botschafter ins Visier islamistischer Terroristen.

Die deutsche Botschaft in Kabul ist nach Informationen der “Welt” seit einigen Tagen aufgrund einer akuten Terrorwarnung geschlossen. “Es trifft zu, dass die deutsche Botschaft Kabul derzeit geschlossen ist”, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes der “Welt”. “Weitere Details kann ich Ihnen nicht nennen.”

Deutschland ist zweitgrößter “Truppensteller”

Hintergrund für das Schließen der Botschaft ist nach Informationen der “Welt” eine Warnung des Bundesnachrichtendienstes (BND) vor einem möglicherweise bevorstehenden Terroranschlag. Die Hinweise, so heißt es aus BND-Kreisen, seien “ernst” und “konkret”. Als Vorsichtsmaßnahme sei daher entschieden worden, die deutsche Botschaft vorübergehend zu schließen.

Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Truppensteller des ISAF-Kontingents. Deutsche Einrichtungen in Afghanistan seien daher weiterhin ein attraktives Ziel für islamistische Terroristen von Taliban und Al-Qaida, heißt es aus Sicherheitskreisen.

Der Artikel auf welt.de

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Russische Spionage im Fokus der Politik

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Russische Spionage im Fokus der Politik

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Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen (l) und Thomas Kremer (r), Vorstandsmitglied Deutsche Telekom AG, Datenschutz, Recht und Compliance

Er habe vor kurzem einen Mitarbeiter in den wohlverdienten Ruhestand versetzt, erzählte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen am Donnerstag auf einem Symposium seiner Behörde in Berlin. Der inzwischen pensionierte Verfassungsschützer hatte jahrzehntelang für die Spionageabwehr des Inlandsdienstes gearbeitet. 

Maaßen war neugierig. Er fragte den erfahrenen Beamten, „was sich denn seiner Meinung nach in diesem Bereich in den letzten Jahren geändert habe.“ Der antwortete trocken: „Eigentlich nichts.“ Froh sei er allerdings darüber, dass die Spionageabwehr jetzt in der öffentlichen Debatte wieder einen höheren Stellenwert einnehme.

Maaßen sagte dazu, das Thema Spionage habe lange Zeit nicht auf der Agenda der Politik gestanden. Nach dem Ende des Kalten Krieges hätten die Machenschaften fremder Geheimdienste in Deutschland kaum noch Beachtung gefunden. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sei dann die Bekämpfung des islamistische Extremismus in den Vordergrund gerückt.

Russische Agenten? Chinesische Spione? Das interessierte kaum noch jemand.

Damit ist es nun vorbei. Spionageabwehr wird plötzlich wieder groß geschrieben. Ein Grund dafür ist nicht zuletzt die NSA-Affäre. Sie hat dramatisch vor Augen geführt, wie leicht scheinbar sichere Daten in die Hände von Dritten geraten können.

Das beunruhigt natürlich auch die Wirtschaft. Deshalb war das diesjährige Symposium des Verfassungsschutz auch dem Thema „Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz“ gewidmet.

Das Fazit der Veranstaltung: Ausländische Geheimdienste sind in der Bundesrepublik so aktiv wie zu Zeiten des Kalten Krieges. Sie spähen die Wirtschaft, das Militär, die Politik und die Verwaltungen aus. Am aktivsten dabei: Russlands Spione.

Bereits im April hatten wir in der „Welt am Sonntag“ über das Treiben der russischen Geheimdienste hierzulande berichtet. Der Beitrag beleuchtet die Anwerbung von Personen aus dem Umfeld des Bundestages, handelt von Agenten, die als Diplomaten getarnt auftreten und thematisiert die sogenannten „Illegalen“, eingeschleuste Spione, die teilweise Jahrzehnte unter falscher Identität in der Bundesrepublik leben.

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele hatte nach unserer Berichterstattung eine Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) zur russischen Spionage gefordert. Daraufhin mussten am Mittwoch sowohl Verfassungsschutzpräsident Maaßen als auch der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, den Mitgliedern des Gremiums Rede und Antwort stehen.

Wie aus Abgeordnetenkreise berichten, bestätigten sowohl Maaßen als auch Schindler massive Anwerbeversuche Aktivitäten der russischen Dienste in Deutschland. Eine zentrale Rolle dabei spiele die russische Botschaft in Berlin. Allerdings sei die Zahl der erfolgreichen Anwerbungen überschaubar, wurde vorgetragen.

BND-Präsident Schindler betonte, dass die russische Führung derzeit in hohem Maße auf Propagandaarbeit setze, um den öffentlichen Diskurs zur Ukraine-Krise in einer Vielzahl von Ländern zu beeinflussen.

Auf dem Symposium warnte Verfassungsschutzchef Maaßen: „Deutschland ist ein wichtiges Aufklärungsziel.“ Die deutsche Wirtschaft müsse sich besser schützen. Dafür sei auch eine stärkere Kooperation von Unternehmen und Verbänden mit seiner Behörde zum Schutz deutscher Forschung und Innovation wünschenswert. „Informationen sind das digitalen Gold des 21. Jahrhunderts“, sagte Maaßen.

Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte auf der Veranstaltung ein größeres Augenmerk auf feindliche Spionage zu legen. „Sicherheit ist ein Wettbewerbsvorteil“, so der Minister. „Wir werden die Spionageabwehr ausbauen müssen.“

Die Ankündigung des Ministers wurde von Verfassungsschützer positiv aufgenommen. „Wir hoffen auf mehr Personal“, sagte ein Nachrichtendienstler. Allerdings sei noch längst nicht klar, ob das Parlament die Mittel für neue Stellen bewilligen werde.

Minister de Maizière stellte klar, dass sich an der bisherigen Kooperation der deutschen Dienste mit der amerikanischen NSA wenig ändern werde. Trotz Abhörskandal. „Die Vereinigten Staaten von Amerika sind unser wichtigster Verbündeter“, sagte der CDU-Politiker. Man werde die enge Zusammenarbeit beibehalten und sogar intensivieren.

Verfassungsschutzpräsident Maaßen machte wenig Hoffnung auf umfangreiche Aufklärung der amerikanischen Spähaktionen durch den NSA-Untersuchungsausschuss. „Wir wissen nicht wirklich, was die NSA tut“, erklärte Maaßen.

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Wochenbrief: Beckenbauer, Stiftung Warentest, BND

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Wochenbrief: Beckenbauer, Stiftung Warentest, BND

Liebe Leserinnen und Leser,

Franz Beckenbauers Rolle bei der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft für das Jahr 2022 nach Katar ist dubios. Und der Kaiser trägt  wenig dazu bei, diesem Eindruck entgegen zu wirken, wie Reporter Tim Röhn aus Brasilien berichtet. Mit der Ethikkommission der Fifa um US-Staatsanwalt Michael Garcia will Beckenbauer offenbar nicht kooperieren, um den Verdacht der Korruption rund um die WM-Vergabe aufklären zu helfen. Einen Fragebogen habe er auf Englisch erhalten, diesen habe er aber nicht komplett verstanden, sagte der einstige Rekordnationalspieler und Bundestrainer: “Deshalb habe ich darum gebeten, dass man sich trifft und die Sache auf Deutsch bespricht. Das wurde offenbar nicht gewünscht. Abgesehen davon kann ich zur Aufklärung auch nichts beitragen.” Da fragt man sich,  welche Sprache Beckenbauer in seiner Zeit bei Cosmos New York in den siebziger Jahren und seither bei vielen Auftritten auf der internationalen Bühne, auf der er sich ja sehr wohl fühlt, gesprochen hat. Aber was will man auch von einem Mann erwarten, der nach einer Katar-Reise sagt, er habe dort keine “Sklaven in Ketten” gesehen? Stimmt, die trifft man selten in Fünf-Sterne-Hotels.

Wer die Stiftung Warentest kritisiert, dem ist Gegenwind sicher. Wir, das heißt unsere Reporterinnen Anette Dowideit und Vanessa Schlesier, haben Anfang Mai in einem mehrseitigen Beitrag Zweifel an den Methoden der Verbraucherschützer und die fehlende Transparenz dargelegt. Den Gegenwind gab es prompt, und er mündete nun in einem Interview, in dem sich Stiftungsvorstand Hubertus Primus noch einmal ausführlich gegen die Vorwürfe wehrte. Allerdings sagte Primus auch, dass die Stiftung lernfähig sei und transparenter werden wolle. Schön, wenn Journalismus etwas zum Besseren bewegen kann!

Viel Aufregung gab es darum, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) 300 Millionen Euro in seine IT investieren wolle, um künftig auch soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter in Echtzeit ausspionieren zu können. Florian Flade hat gemeinsam mit Manuel Bewarder darüber berichtet. Die politische Bereitschaft in Deutschland,  unseren Auslandsgeheimdienst zu stärken und auf den Spuren der NSA wandeln zu lassen, ist gering. Entsprechend groß ist der Widerstand gegen die Pläne. Dabei würde es Bundesbürger nicht treffen, der BND darf sie ja gar nicht ausspionieren. Ausländische Geheimdienste hingegen haben längst die Facebook-Aktivitäten in Deutschland im Visier. Die Frage ist nämlich nicht, ob es technisch machbar ist, sondern ob Geld zur Verfügung steht und der politische Wille da ist. Und da sind andere Ländern offensichtlich nicht so zimperlich wie wir.

Im Wochenbrief vergangenen Montag haben wir über die wachsende Zahl an Wohnungseinbrüchen berichtet. Anschließend kamen noch weitere Stücke zur neuen Kriminalstatistik hinzu, die hier nun gebündelt abrufbar sind. Der letzte Artikel von Martin Lutz und Uwe Müller zum Themenbereich ging über die wachsende Zahl an aufgedeckten kinderpornografischen Delikten. Das muss nicht heißen, dass es wirklich mehr Kinderpornografie gibt, sondern vielleicht arbeitet die Polizei nur besser. Wollen wir das nach diesem sonnigen Pfingstwochenende einfach mal hoffen und glauben.

In diesem Sinne einen guten Wochenstart wünscht,

Ihr Jörg Eigendorf

Streng vertraulich! Das WELT Investigativ Blog

Wochenbrief: BND-Spion, Hacker, Netzwerk Recherche

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Wochenbrief: BND-Spion, Hacker, Netzwerk Recherche

Liebe Leserinnen und Leser,

die Spionage-Affäre im Bundesnachrichtendienst war das Thema der vergangenen Tage. Als unsere Reporter Dirk Banse, Manuel Bewarder, Florian Flade und Uwe Müller am Donnerstagabend vergangener Woche den ersten Hinweisen nachgingen, war der Fall noch reichlich verworren.

Inzwischen aber sprechen immer mehr Indizien dafür, dass der enttarnte Spion tatsächlich an die Amerikaner berichtete. Das haben wir in mehreren großen Beiträgen in der „Welt“ und der „Welt am Sonntag“  berichtet, mit vielen exklusiven Details.

Die Bundeskanzlerin und der Bundespräsident haben sich klar positioniert und kritisiert. Kein Spur des sonst üblichen Abwiegelns. Wie ernst die Angelegenheit tatsächlich ist, zeigt sich auch daran, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière erwägen soll, die Aufklärung der Spionageabwehr des Verfassungsschutzes auf die US-Einrichtungen in Deutschland auszuweiten. Das war bisher ein Tabu.

Dass die Affäre ausgerechnet bekannt wurde, als Angela Merkel zu einer China-Reise aufgebrochen war, ist mehr als nur eine beiläufige Pointe. Es stellt die alten Denkmuster, die die Welt in Freunde und Feinde einteilen, infrage.

So oder so – China ist nicht nur eine beherrschende Wirtschaftsmacht, sondern nach wie vor auch eine führende Spionage-Großmacht. Florian Flade und Benedikt Fuest beschreiben in der „Welt am Sonntag“, wie ein Heer von 100.000 Hackern in Uniform an Hochleistungscomputern komplexe Computer-Viren und Trojaner basteln, die sie in alle Welt verschicken. „Hungrig nach Bauplänen, Datenbanken, Innovationen dringen sie in die Netzwerke auch deutscher Unternehmen ein.“ Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sagt dazu: Die Firmen seien oft überfordert damit, sich selbst zu schützen. „Sie treten gegen einen übermächtigen Gegner an.“

Solange es Phänomene wie Spionage-Affären, Cyber-Angriffe und Wirtschaftsspionage  gibt, gibt es für investigative Journalisten vieles, was sie aufdecken können. Ihre Arbeit aber verändert sich derzeit sehr – das hat nicht zuletzt die Jahreskonferenz des Netzwerks Recherche am vergangenen Wochenende im Hamburg gezeigt. Die Konferenz ist eine Art Klassentreffen und Messe des deutschen Enthüllungsgewerbes.

Im Zentrum vieler leidenschaftlicher Debatten standen neue Finanzierungsmodelle des Aufdecker-Journalismus’ und die Recherche-Kooperation zwischen öffentlich-rechtlichem Fernsehen und privatfinanzierten Zeitungen. Debatten, die David Schraven, Ex-Chef der Rechercheeinheit aller WAZ-Zeitungen, mit seinem neugegründeten und von einer Stiftung finanzierten Projekt „Correctiv“ derzeit ebenso befeuert wie die Recherche-Allianz von NDR/WDR und Süddeutscher Zeitung. Beides waren in Hamburg große Themen.

Die Diskussionsrunde zum Rechercheverbund aus NDR, WDR, Süddeutscher Zeitung zählte zu den Höhepunkten der Konferenz. Das Prodium war prominent besetzt: SZ-Investigativchef Hans Leyendecker, Verleger Jakob Augstein, NDR-Intendant Lutz Marmor, unser Chefreporter Jörg Eigendorf. Die Diskussion hatte einen hohen Unterhaltungswert, wurde aber auch von beiden Seiten – Befürwortern wie Kritikern, journalitischer Mehrwert versus Wettbewerbsverzerrung mithilfe von Gebührengeldern – hart geführt. Der stellvertretende Chefredakteur des ZDF, Elmar Theveßen, hat die zentralen Aussagen der Debatte live getwittert. (Man muss ein bisschen blättern.)

In einem weiteren Panel haben unsere Reporter Lars-Marten Nagel und Marc Neller über eine große Recherche berichtet, mit der sie bundesweit für Aufsehen gesorgt haben: Wer ihrer exklusive und viel zitierte Berichterstattung in den vergangenen anderthalb Jahren verfolgt hat, den konnte die Pleite des Windkraftkonzerns Prokon im Januar dieses Jahres eigentlich nicht wundern.

Ein Zusammenfassung der beiden Tage finden Sie auch auf der Homepage des Netzwerks Recherche.

Viel Lesespaß und einen guten Start in die Woche wünscht

Marc Neller

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Spionage gehört für die USA zur Diplomatie dazu

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Spionage gehört für die USA zur Diplomatie dazu

Deutschland reagiert hilflos und empört auf den Spionageskandal beim BND. Dieser drängt aber auch die Frage auf: Mangelt es der Bundesrepublik heute schlichtweg an machtpolitischem Realismus?

Die Amerikaner zweifeln daran, dass die Deutschen den Herausforderungen moderner Geheimdienstarbeit gewachsen sind Foto: Miriam Migliazzi&Mart Klein; pa/ J.W. Alker

 

Von Florian Flade und Ansgar Graw, Berlin und Washington

Ach, wenn es nur der NSA-Skandal wäre. Es ist aber eher wie beim Spiel gegen Brasilien. Man geht mal kurz raus, und schon wieder hat es kräftig gerumst. In Berlin fliegen US-Spione im Wochentakt auf, erst im BND, dann im Umfeld des Verteidigungsministeriums. Angeblich sind noch weitere Ministerien betroffen, und auch Abgeordnete des Bundestags sollen überwacht worden sein, unter ihnen ein Geheimdienst-Kontrolleur. Die bisher deutlichste Reaktion von deutscher Seite: Der CIA-Repräsentant flog aus Berlin raus.

Eine nie da gewesene Serie von Affronts und Detonationen. Fliegt uns gerade die deutsch-amerikanische Freundschaft um die Ohren? Sind wir den Amis so egal geworden?

Berlin, Friedrichstraße, 8. Mai 2014. Der Mann, der ans Mikrofon tritt, trägt einen dunkelblauen Anzug, blaue Krawatte, eine goldene Nickelbrille mit runden Gläsern und am Revers die Deutschland-Flagge. Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, begrüßt die Anwesenden: Geheimagenten, Polizisten, Wissenschaftler, Politiker, Vertreter der Wirtschaft, Journalisten. Einmal im Jahr lädt der Verfassungsschutz zu einem solchen Symposium nach Berlin. Es ist so etwas wie das Klassentreffen der deutschen Sicherheitsbehörden. Raum für Austausch und Diskussion. Thema in diesem Jahr: “Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz”.

Maaßen warnt in seiner Rede vor russischen Agenten, die im politischen Berlin den Regierungsapparat aushorchen, und vor chinesischen Hackern, die mit Cyber-Attacken die deutsche Wirtschaft schädigen. Und dann sagt er einen Satz, der heute – nur zwei Monate später – nahezu prophetisch klingt. Die NSA-Enthüllungen des Edward Snowden im vergangenen Jahr hätten gezeigt, resümiert Maaßen, “dass es keine Freunde gibt, die nur Freunde sind”.

Spionage als Mittel der Diplomatie

Keine Freunde, die nur Freunde sind – das ist für die Deutschen eine neue Erkenntnis. Für die Amerikaner ist es ein alter Hut. Freunde zu haben drüben in Europa und robust eigene Interessen zu verfolgen, politisch, militärisch, geheimdienstlich – das schließt sich für Amerikaner nicht aus. Auch deshalb nicht, weil sie annehmen, dass jedes andere Land auch seine Interessenpolitik betreibt.

Für Amerika ist Intelligence ein Arm der Diplomatie. Darum war Angela Merkel zu Beginn der Handy-Krise so verstört, als ihr Obamas oberste Sicherheitsberaterin Susan Rice sagte, man verstehe ja die Verärgerung über das Abhören ihres Telefons, aber es sei nun mal gut, etwa in UN-Verhandlungen zu Syrien-Sanktionen vorher zu wissen, wie die Verbündeten darüber dächten.

Geheimdienst-Operationen gelten in den USA als legitimes Besteck im politischen Werkzeugkasten, als “smart power” wie klassische Diplomatie oder Entwicklungshilfe. Senden die USA Kampfjets oder liefern sie Mörser oder sonstige Waffen an die Aufständischen in Syrien oder die Regierung in Bagdad, gibt es gewaltige öffentliche Debatten und der Kongress verlangt Mitsprache. Geheimdienst-Operationen finden hingegen weitgehend unter dem Radar der Wahrnehmung und Empörung statt.

“Deutschland hat keine Vorreiterstellung mehr”

Angesichts der jüngsten Skandale lodern die Flammen der Empörung hoch. Wenn sie verraucht sind, wird sich ein deutsches Problem zeigen: Können wir überhaupt noch mithalten in einer veränderten Welt? “Man begegnet uns nicht auf Augenhöhe”, berichtet ein deutscher Geheimdienstler, der häufig die Kollegen jenseits des Atlantiks trifft. “Die Amerikaner sind uns in allen Bereichen überlegen. Das wissen wir. Das wissen sie.” Zu Zeiten des Kalten Krieges gab es volle Unterstützung aus Washington für Verfassungsschutz und BND. Die Aufklärung der Sowjetunion, der Kampf gegen KGB und Stasi waren Aufgaben, in denen Amerikas Dienste den deutschen Kollegen stets zur Seite standen.

Heute, 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, ist die Welt komplizierter geworden. Das klare Freund-Feind-Bild des Kalten Krieges ist verschwunden, es stehen sich nicht mehr zwei Supermächte, zwei Systeme gegenüber. Die Konflikte und Kriege sind vielschichtiger, komplexer geworden – und das gilt eben auch für die Arbeit von Geheimdiensten. “Die amerikanischen Geheimdienste konzentrieren sich mittlerweile auf andere Regionen der Welt”, erzählt ein langjähriger BND-Mitarbeiter. “Und sie wählen ihre Partner dabei sehr genau aus. Deutschland hat keine Vorreiterstellung mehr.”

Immer noch werde die Arbeit gerade des BND von amerikanischer Seite sehr geschätzt. Punktuell gilt sie sogar als unersetzlich, etwa im Nahen Osten. Hier hat der BND-Mitarbeiter Gerhard Conrad fast schon einen legendären Ruf. Er vermittelte in den vergangenen Jahren immer wieder zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah. Auch bei der Freilassung des von der Hamas entführten israelischen Soldaten Gilad Shalit spielte Deutschlands Mann im Orient eine entscheidende Rolle.

“Die Analysefähigkeiten des BND und die Tatsache, dass wir unsere Quellen sorgsam führen und gut behandeln, rechnet man uns in Washington hoch an”, sagt ein BND-Mann. Darin liege eine große Stärke der deutschen Spionagearbeit, die auch in der Ukraine von Bedeutung ist. Dennoch herrscht auf amerikanischer Seite eine gute Portion Misstrauen. Und das hat Gründe.

BND und Verfassungsschutz technisch im Nachteil

Deutschlands Sicherheits- und Außenpolitik ist längst nicht mehr so vorhersehbar wie zu Zeiten des Kalten Krieges. Da gab es einen Kanzler, der den Irakkrieg ablehnte und nun seit Jahren enge Beziehungen zu Russland unterhält. Im deutschen Bundestag sitzt eine linke Partei, die aus der Staatspartei der DDR hervorging und vielleicht in naher Zukunft an der Regierung beteiligt sein wird.

Und dann gab es die Hamburger Terrorzelle. Die späteren Todespiloten des 11. September 2001 trafen sich in einer Moschee und einer Wohnung in Hamburg. Sie standen im Visier deutscher Sicherheitsbehörden, und dennoch konnten sie ungestört ihre Pläne schmieden und am Ende Tausende ermorden.

“In Amerika fürchtet man, dass wir vielleicht nicht auf ewig die gleichen Ziele verfolgen werden, auch wenn wir das gleiche Wertesystem haben”, fasst ein deutscher Geheimdienstler das amerikanische Misstrauen zusammen. Aber nicht nur strategisch, auch technisch wächst der Abstand zu den Amerikanern – die alten Gefährten des Kalten Krieges sind ungleicher geworden. Auf geheimdienstlicher Arbeitsebene besteht die Gefahr, dass die deutschen Dienste nicht mehr Schritt halten können in einer modernen Welt.

Das Internet entwickelt sich mehr und mehr zu einem entscheidenden Feld der Sicherheitspolitik. Und genau hier, so berichtet ein deutscher Agent, “trauen uns die Amerikaner nicht wirklich viel zu”. Technisch seien die deutschen Dienste nicht auf dem neuesten Stand. Es mangelt an moderner Software und an Personal. Die Gefahr besteht, dass BND und Verfassungsschutz den Herausforderungen nicht mehr gewachsen sind. “Wenn wir hier nicht aufrüsten”, so ein BND-Mann, “werden wir in der Zusammenarbeit mit unseren Partnern irgendwann nicht mehr ernst genommen.”

Amerikaner berichten kaum über Spion-Enttarnung

Manche fordern jetzt, den Spieß umzudrehen und die USA geheimdienstlich aufzuklären, so wie sie uns aufklären. Obama und die Spitzen der Intelligence-Community wissen aber, dass der BND nicht das Weiße Haus verwanzt oder Telefonate aus dem Kongress heraus abhört.

Und doch – ein Insider wie der Bestseller-Autor James Bamford, der bestinformierte Journalist zum NSA-Komplex, ist überzeugt, dass derartige Operationen aus der Residenz des deutschen Botschafters heraus unternommen werden. Er, der keine Gelegenheit auslässt, seine eigene Administration zu attackieren, weist in Gesprächen etwa auf die in der Tat ungewöhnlichen Antennen auf dem Dach der deutschen Residenz hin.

Spricht man Deutsche, die es wissen müssen, darauf an, ergibt sich etwa Folgendes: Unserem Geheimdienst ist die US-Administration so heilig wie den Indern die Kuh. Mag sein, dass mal ein Funkverkehr zwischen irakischen und türkischen Diplomaten in D. C. aufgefangen wird, mehr aber nicht.

Deshalb wird auch über die aktuelle Enttarnung von CIA-Maulwürfen in Berlin in amerikanischen Medien kaum berichtet. Das ist “business as usual”. Und wenn doch berichtet wird, dann nicht in dem Tenor: Warum bloß tun wir so etwas Schlimmes? Sondern: Blöd, dass das unser ohnehin angekratztes Verhältnis zu Berlin jetzt noch weiter belastet. Spionage ist nicht schlimm, aber dass sie nicht professionell genug ausgeführt wurde, das ist ärgerlich.

Deutschland kann nicht moralische Weltmacht sein

Viele Deutsche haben “Homeland”  gesehen; jene Fernsehsaga über den verborgenen Kampf der CIA gegen Islamismus und den Iran, über heldenhafte, teilweise aber auch verräterische eigene Agenten. Da wird bedroht, abgehört, eingebrochen, verprügelt und gekillt. Alles sehr handfest. Und zwischendurch wird immer wieder der moralische Kompass des vollbärtigen CIA-Chefs sichtbar: Wir müssen diese Operationen ausführen, weil sonst unser Militär zum Zuge kommt und Teheran bombardiert.

Es ist nur eine Fernsehserie. Aber sie gewährt einen Blick ins amerikanische Bewusstsein, was Krieg und Frieden und Weltpolitik angeht. Wir schauen den Filmhelden zu und sehen den machtpolitischen Realismus einer Weltmacht am Werk, mag sie auch gerade zagen und zaudern unter Obama.

Und wir? Glauben wir wirklich, uns die Kämpfe und Kriege der Welt vom Leibe halten zu können, indem wir uns als moralische Weltmacht darüberstellen? Der Trick wird nicht gelingen, dazu sind wir zu groß. Zu gut sichtbar in der Welt.

Der Artikel auf welt.de

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Wochenbrief: BND, syrische Flüchtlinge, Bundesbank

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Wochenbrief: BND, syrische Flüchtlinge, Bundesbank

Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser Woche erscheint der Wochenbrief einmal am Dienstag – in der Hoffnung, dass wieder andere Themen eine Chance haben, wenn der weltmeisterliche Rausch allmählich abklingt (was sicher noch nicht ganz der Fall ist ;-).

Der große Aufreger der vergangenen Woche war der Spionage-Skandal zwischen Deutschland und den USA. Ein Skandal, der einen tiefen Unterschied im Verständnis beider Völker aufzeigt. Einerseits der etwas hemdsärmlige, aber auch dilettantische Ansatz der Amerikaner: Ob Freund oder Feind, sie wollen möglichst alles wissen – und sind dabei bereit, eine bewährte Freundschaft schwer zu belasten. Andererseits der naive Blick der Deutschen auf das, was Geheimdienste sind: ein wichtiges Instrument der Macht-,  Sicherheits- und Wirtschaftspolitik. In den Nachkriegsjahren hatten wir es uns in unserer Rolle des geretteten Kriegsverlierers allzu bequem gemacht. Wir waren ein verlässlicher Bündnispartner und haben den anderen die Drecksarbeit, auch in Sachen Spionage, überlassen. Aber Spionage ist eben nicht nur Drecksarbeit. Wer nicht mitspielt, schaut irgendwann nur noch zu. Dirk Banse und Uwe Müller stellten deshalb gemeinsam mit Günther Lachmann die Frage, ob unser Auslandsgeheimdienst BND überhaupt zur Gegenspiongage fähig wäre. Anschließend hat Florian Flade mit Wolfgang Büscher und Ansgar Graw das etwas gestörte Verhältnis zueinander und zur geheimdienstlichen Aktivität in den USA und der Bundesrepublik aufgearbeitet.

Seit Monaten recherchiert unsere Reporterin Vanessa Schlesier zu den Flüchtlingsströmen aus Syrien. Was dabei meist zu kurz kommt: Immer öfter müssen Frauen mit ihren Kindern allein die schwere Last des Aufbruchs in eine völlig ungewisse und gefährliche Zukunft tragen. Ihre Männer sind tot oder verschwunden, sie müssen sich allein mit ihren Kindern in einer Welt durchkämpfen, in der sie oft nichts mehr als leichte Opfter sind – Opfer von Ausbeutung,  Erniedrigung und sexueller Gewalt. Das ist das Ergebnis eines neuen UN-Berichts, den Schlesier anhand mehrerer Beispiele hat lebendig werden lassen.

Ein weiteres Opfer des Krieges in Syrien ist das Weltkulturerbe. Da, wo Archäologen mit dem Löffel Fundstellen freilegen sollten, geschieht das heute mit dem Schaufelbagger.Was hervorkommt, sind Kunstschätze, die auf dem freien Markt Dollar-Millionen bringen – auch wenn es sich oft nur sehr schwer feststellen lässt, ob es sich um Originale oder Fälschungen handelt. Viele der historischen Stücke stammen auch aus geplünderten Museen und drohen so für das kollektive Gedächtnis verloren zu gehen. Schlesier war vor Ort im syrisch-türkischen Grenzgebiet und wurde Zeugin dieser traurigen Entwicklung.

Das Geld ist zumindest teilweise für die islamistische Terrorgruppe Isis bestimmt, die gerade in Syrien und Irak viel Blut fließen lässt. Auch das hat Schlesier in einem Gespräch mit einem ehemaligen Isis-Massenmörder dokumentiert. Getroffen hat sie den Mann in Istanbul.

Da tut es richtig gut, sich mit so etwas Geordnetem wie der Geldpolitik in Europa zu befassen. Viel Zeit hat sich in der vergangenen Woche Jens Weidmann für uns genommen. Gemeinsam mit Sebastian Jost habe ich den Präsidenten der Deutschen Bundesbank in seinem Büro in Frankfurt sprechen können. Dabei konnten wir feststellen, wie aus einem Geld-Politiker ein Geld-Politiker geworden ist. Der 46-jährige Weidmann, der sich in den ersten Jahren seiner Amtszeit in die Rolle des notorischen Gegners von Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, gedrängt sah, ist weitaus taktischer geworden. Er findet sich mit Zinssenkungen ab, wenn sie sich sowieso nicht abwenden lassen und bemüht die bedrohte Finanzmarktstabilität nicht zur Begründung seiner Forderungen, wenn dieses Argument anschließend gegen ihn verwendet werden könnte. Das mag nicht jeder orthodoxe Bundesbanker gut finden, dürfte aber auf Dauer beim Kampf ums stabile Geld effektiver sein. Hier das vollständige Interview mit Jens Weidmann.

So, und jetzt viel Spaß auf der Fanmeile oder vorm Fernseher wünscht

Ihr Jörg Eigendorf

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Wochenbrief: BND, Digitale Agenda, Dalai Lama

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Wochenbrief: BND, Digitale Agenda, Dalai Lama

Liebe Leserinnen und Leser,

man würde jetzt gern im Kanzleramt Mäuschen spielen. Selten ist Angela Merkel so auf dem falschen Bein erwischt worden. “Das Ausspähen von Freunden geht gar nicht”, das war ihre Vorgabe. Nur leider späht der Bundesnachrichtendienst (BND) doch “Freunde” aus. Unsere türkischen Freunde jedenfalls sind jetzt stinksauer, und unser amerikanischen Freunde dürften mit einer gewissen Genugtuung ansehen, wie jetzt auch Berlin seine Geheimdienstaffäre hat. Manuel Bewarder, Florian Flade und Uwe Müller haben schön auf den Punkt gebracht, warum das letzte Kapitel dieser Geschichte noch nicht geschrieben ist.

Es klingt so wunderbar einfach: Einen dreistelligen Millionenbetrag will die Bundesregierung mit der Vergabe von Breitbandfrequenzen erzielen (ok, für UMTS gab es noch ein paar Milliarden, das nennt man Deflation;-) Das Geld soll dann wieder in die digitale Infrastruktur investiert werden. Dringend nötig ist das: Deutschlands Volkswirtschaft führt weltweit die Statistik mit den höchsten Schäden durch Cyberverbrechen an (relativ zum Bruttosozialprodukt). Die Sache hat nur einen Haken: Der von drei Ministerien abgestimmte Entwurf des “Digital-Handlungsplans”, den Martin Lutz besorgen konnte, dokumentiert eher vernetzte Unsicherheit. Kompetenzwirrwarr, fehlende Abstimmung, Finanzierungsprobleme (trotz des Millionenregens durch Lizenzverkauf) – wir tun uns in Deutschland einfach schwer mit dem Internet. Ist ja auch eine Erfindung amerikanischer Geheimdienste.

Investigative Arbeit im besten Sinne hat York Hovest geleistet – obwohl er kein Journalist ist. Der Münchener Modefotograf hat dem Dalai Lama auf einem Deutschland-Besuch 2011 das Versprechen gegeben, die Situation in dessen Heimat Tibet auf bisher nie dagewesene Art und Weise zu dokumentieren. Das hat der 36-jährige Familienvater dann tatsächlich wahr gemacht und dabei sein Leben riskiert: Unter anderem aus einem präparierten Rucksack heraus machte Hovest tausende Fotos von der in China annektierten Region, in der Fotografieren abseits der touristischen Pfade unter Strafe steht. Mit Satellitenaufnahmen hatte er nie besuchte Orte ausfindig gemacht und dann seine chinesischen Begleiter abgehängt. Und Hovest erlebte, wie das Flugzeug, das ihn ins tiefste Tal der Erde am Fuße des Annapurna gebracht hatte, beim anschließenden Start zurück nach Katmandu an der Felswand zerschellte.

Nach zwei Reisen 2012 und 2013 bringen National Geographic und Piper am 15. September einen ersten Bildband heraus. Das erste Exemplar hat Hovest in der vergangenen Woche dem Dalai Lama in dessen Exilheimat Dharamsala überreicht. Dabei habe ich ihn begleitet und anschließend den spirituellen Führer der Tibeter interviewt – zur Tibet-Frage, zur chinesischen und der russischen Regierung, zu seiner Nachfolge.

Wir werden über dieses Gespräch und vor allem über Hovests einzigartige Reise in der “Welt am Sonntag” am 7. September und der “Welt” am 8. September berichten – und das multimedial. Erste Eindrücke gibt es bereits auf meiner Facebook-Seite. Ich kann noch ein paar Freunde gebrauchen;-)

In diesem Sinne wünsche ich viel Freude und/oder Erkenntnis bei der Lektüre,

Ihr Jörg Eigendorf

 

 

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Portrait of BND-Boss Schindler on Ozy.com

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Portrait of BND-Boss Schindler on Ozy.com

In the light of the latest intelligence affair between USA and Germany, the scope of the Federal Intelligence Service (BND) has drawn more and more interest also in the US public. In this context, the American Online Service Ozy.comhas asked our reporter Uwe Müller to portrait Gerhard Schindler, who has presided over the BND for about three years.

Since March 2014 Axel Springer has had a minority stake in the US-Start-up Ozy.com and we hope to cooperate a lot more in future. Thanks colleagues, for your interest and the translation.

Ozy

 

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Dieser Mann kennt alle Geheimnisse der Bundesrepublik

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Dieser Mann kennt alle Geheimnisse der Bundesrepublik

Klaus-Dieter Fritsche leitet jeden Dienstag die nachrichtendienstliche Lage im abhörsicheren Raum in der vierten Etage des Kanzleramts. Neuerdings geht es um die große Frage: Wie bewahrt man Frieden?

Von Dirk Banse, Manuel Bewarder , Florian Flade und Uwe Müller

Dienstags, Punkt zehn Uhr, geht es im Kanzleramt um die Geheimnisse der Republik. Jede Woche sitzen etwa 30 Personen im abhörsicheren Raum in der vierten Etage. Auch Kanzleramtschef Peter Altmaier ist fast immer dabei. Hoch konzentriert folgen sie besonders den Vorträgen dreier Männer. Und die drehen sich neuerdings vor allem um die eine, ganz große Frage: Wie bewahrt man den Frieden? Oder vielmehr: Gibt es Krieg?

Was sich dort in den wenigen Stunden bis zum frühen Nachmittag abspielt, in der sogenannten Nachrichtendienstlichen Lage, gehört zum Bestgehüteten der Republik: Die Chefs der drei deutschen Geheimdienste – Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und Militärischer Abschirmdienst – erstatten Bericht. Anschließend kommt man meist noch einmal kurz im kleinen Kreis zusammen. Und zwar informell.

Was einst kaum mehr als eine wöchentliche Routine war, ist mittlerweile wieder so wichtig wie im Kalten Krieg. Ob in Syrien, im Irak oder in der Ukraine, es brennt an vielen Stellen auf der Welt. Die internationalen Partner blicken dabei immer häufiger nach Berlin, die Kanzlerin muss Position beziehen und somit ihrer Rolle als mächtigste Frau der Welt gerecht werden.

Je größer die Katastrophe, desto wichtiger der Spion

Der Mann, der das wöchentliche Treffen der Nachrichtendienstchefs leitet, gibt Merkel wichtige Hinweise. Klaus-Dieter Fritsche ist verantwortlicher Staatssekretär für Geheimdienste im Kanzleramt. Brille, Halbglatze, schmale Lippen – bei diesem äußerlich unscheinbaren Beamten laufen die Fäden zusammen. Als er im Januar sein Amt antrat, konnte Fritsche, der zumeist im Hintergrund bleibt, kaum ahnen, wie wichtig sein Job einmal werden würde.

Jahrelang hatten die Geheimen ein Schattendasein gefristet. Doch je größer die Katastrophen, desto wichtiger werden sie. “Angesichts der aktuellen Krisen in der Ukraine und im Irak arbeiten die deutschen Sicherheitsbehörden auf Hochtouren”, sagte Fritsche der “Welt am Sonntag”. Das Erstarken der Terrormiliz IS habe die Dienste überrascht. “Die besondere Rolle, die der IS mittlerweile im Nordirak und in Syrien spielt, war nicht prognostizierbar”, erklärte er. Die Erkenntnisse der Nachrichtendienste würden aufgrund der Krisen bedeutender. “Ihre Informationen sind eine wichtige Basis für die Entscheidungen der Bundesregierung.” Deutschland erlebt somit eine Renaissance der Dienste. Ausgerechnet.

Denn schon aus historischen Gründen ist das Verhältnis zwischen Regierung und den Geheimen hierzulande seit je schwierig. Zuerst die Gestapo, dann die Stasi. Gleich zwei totalitäre Regime haben ihre Geheimdienste als Unterdrückungsinstrumente gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt. Das ist tief im kollektiven Bewusstsein der Deutschen verankert und ein Grund dafür, dass die meisten deutschen Kanzler stets demonstrativ Abstand zu den Diensten wahrten.

Die Mächtigen halten lieber Abstand

Das trifft auch auf Kanzlerin Merkel mit ihrer Sozialisierung in der DDR zu. In ihrer neunjährigen Amtszeit hat sie die BND-Zentrale in Pullach kein einziges Mal besucht. Von Helmut Schmidt ist gar der spöttische Satz überliefert, er fühle sich durch die “Neue Zürcher Zeitung” besser über die Welt informiert als durch die Berichte des BND. Deutlicher kann man seine Geringschätzung kaum ausdrücken.

Zuletzt haben dann Fehltritte das Image der Sicherheitsorgane den grundsätzlichen Glauben an die Fähigkeiten der Geheimdienstler ramponiert. Erst stürzte der NSU den Verfassungsschutz der Bundesrepublik in seine wohl tiefste Krise. Jahrelang konnten die Rechtsterroristen ungehindert durch Deutschland ziehen und morden. Seitdem im vergangenen Jahr der Amerikaner Edward Snowden zudem die globalen Überwachungsmethoden westlicher Geheimdienste enthüllte, muss sich auch der Bundesnachrichtendienst rechtfertigen wie niemals zuvor.

Selbst führende Staatsrechtler erklärten seine Arbeit für verfassungswidrig. Und die Rufe, den Auslandsnachrichtendienst BND abzuschaffen, haben es über die Linke sogar in den Bundestag geschafft. “In Ländern wie den USA, Großbritannien oder Frankreich haben die Geheimdienste ein ganz anderes Standing als bei uns”, bilanziert der ehemalige BND-Präsident Hans-Georg Wieck. “Deren Regierungschefs haben auch nicht solche Berührungsängste wie in Deutschland.”

Rohstoff für Entscheidungen

Diametral zu dieser Vorsicht steht der Bedarf der politischen Entscheider hierzulande an exklusiven, nicht öffentlichen Informationen und Einschätzungen in einer unübersichtlichen Weltlage, die sich manchmal im Stundentakt ändert: Was plant Russlands Präsident als Nächstes? Mit welchen Risiken muss man rechnen, wenn man Waffen an die Kurden liefert? Und wird sich vielleicht schon morgen ein Selbstmordattentäter des “Islamischen Staates” (IS) hierzulande in die Luft sprengen?

Das sind Fragen, auf die es nicht die eine Antwort gibt. Aber die Geheimdienste helfen bei der Einschätzung. Denn sie können mit Methoden arbeiten, die anderen Beschaffern von Informationen wie dem diplomatischen Dienst oder Journalisten verschlossen sind: Sie überwachen Telefone und E-Mails und werten Satellitenbilder aus. Die weltweit gesammelten Erkenntnisse werden analysiert und bewertet. So entstehen, wie es im Geheimdienst-Jargon heißt, Lagebilder. Sie sind der Rohstoff für politische Entscheidungen.

Das hat inzwischen auch die Kanzlerin erkannt. Nach ihrer Wiederwahl im vergangenen Herbst schuf sie die Position Fritsches – die NSA-Affäre hatte ihr unmissverständlich vor Augen geführt, dass es einen koordinierenden Kopf für die Arbeit der Geheimdienste brauchte. Mit dem Staatssekretär schuf Merkel eine übergeordnete Instanz. Fritsche lässt sich fast alle Berichte vom BND vorlegen, dem einzigen Dienst, der direkt dem Kanzleramt unterstellt ist. Über die jeweils zuständigen Ministerien erfährt er aber auch das Wichtigste von Verfassungsschutz und Militärischem Abschirmdienst. “Sekretär 007″ nennt mancher ihn aufgrund seiner Position.

Eine Lobeshymne wird als Frechheit empfunden

Gezielt fiel Merkels Wahl auf den gebürtigen Bamberger. Verlässlich, konservativ, geradlinig – kaum jemand schien besser qualifiziert für den neuen Posten im Kanzleramt. Der ehemalige Verwaltungsrichter hat eine steile Beamtenlaufbahn hingelegt. Vom Büroleiter des damaligen bayerischen Innenministers Günther Beckstein stieg er nach nur einem Jahr zum Vizepräsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz auf. In der ersten großen Koalition unter Angela Merkel war Fritsche schon einmal im Kanzleramt, aber als Abteilungsleiter. 2009 wechselte er dann ins Innenministerium und wurde Staatssekretär.

Unumstritten ist er dennoch nicht. Als Fritsche Vizepräsident des Verfassungsschutzes war, erklärte er, dass es “keine Anhaltspunkte” für eine “braune RAF” gebe. Zu diesem Zeitpunkt hatte der NSU aber schon mehrere Jahre lang Menschen hingerichtet. Als Fritsche schließlich vom Untersuchungsausschuss befragt wurde, hielt er trotz der unentdeckten Mordserie eine Lobeshymne auf die Sicherheitsbehörden – was viele Abgeordnete als Frechheit empfanden.

Geschadet hat ihm das aber offensichtlich kaum. eine Lehre aus der NSA-Affäre, die dem damaligen Kanzleramtschef Ronald Pofalla gefährlich nahe kam. Doch diese Aufgabe, insbesondere die Betreuung des Untersuchungsausschusses zum Ausspähskandal, mag zwar wichtig bleiben, ist aber angesichts der großen Krisen zweitrangig geworden. Fritsches Jobbeschreibung hat sich innerhalb weniger Monate radikal verändert.

Immer mehr Fragen zu dem Krisengebieten

Jetzt geht es darum, dass die Maschine möglichst reibungslos funktioniert. Die Taktzahl, in dem die Kanzlerin mittlerweile über die Erkenntnisse der Dienste auf dem Laufenden gehalten wird, hat sich enorm erhöht. Seit dem Sommer 2013 hat sich die Zahl der Berichte des BND an das Bundeskanzleramt zu “Ukraine/Russland” nach Informationen dieser Zeitung verdoppelt. Die Menge der Mitteilungen zum Irak schnellte innerhalb der vergangenen Wochen um ein Viertel empor. Mit Blick auf den syrischen Bürgerkrieg liegt die Zahl der Berichte seit Jahren auf einem sehr hohen Niveau.

Die schriftlichen Anfragen aus dem Deutschen Bundestag hierzu stiegen im vergangenen Jahr aber um ein Drittel, die Unterrichtungen von Bundestagsabgeordneten haben sich beinahe verzehnfacht.

Auch der Melde-Rhythmus im Kanzleramt selbst ist schneller geworden. Täglich in der Früh unterrichtet Fritsche mit seinem Team die Hausspitze über die Entwicklung in den Krisengebieten, im Regelfall berichtet er dann an Kanzleramtschef Altmaier, wenn es brisant wird, gehen seine Infos auch direkt an die Kanzlerin. Im Laufe des Tages reicht der Apparat oftmals weitere Informationen nach. Immer wieder gibt es Rückfragen zu beantworten. Fritsche muss außerdem das Verteidigungsministerium und das Auswärtige Amt unterrichten. Alles, was ihn erreicht und was er weiterleitet, läuft über abhörsichere Leitungen.

Schielt Russland auf die baltischen Staaten?

Gerade für den BND ist der Fokus auf die Außenpolitik eine Gelegenheit, sich zu rehabilitieren. In beiden Krisenregionen – Ukraine und Irak – verfügt der BND nach Einschätzung von Sicherheitspolitikern über sehr gute Erkenntnisse.

Nach offiziellen Angaben nahmen 17.000 Soldaten aus Luftwaffe, Marine und Heer teil. Nach außen hin sollte der Eindruck erweckt werden, es handele sich dabei um eine Militärübung in üblicher Größe, nichts Besonderes also. Doch der BND entdeckte im Umfeld des offiziellen Manövers weitere geheime Übungen, an denen zusätzlich rund 30.000 Soldaten beteiligt waren.

Die Provokation ging schließlich noch weiter: Russland legte den Erkenntnissen des Geheimdienstes zufolge kurzzeitig Radaranlagen der Nato lahm und feuerte eine Kurzstreckenrakete vom Typ “Iskander” in Richtung Litauen. Bestückt mit der Attrappe eines Nuklearsprengkopfes ging sie erst kurz vor der Grenze zum Nachbarland zu Boden. “Zapad 2013″ war die umfangreichste Militärübung seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Moskau verhalte sich immer aggressiver, verkündete der BND – eine Warnung, die sich bewahrheiten sollte, wie die Ereignisse dieser Tage belegen.

Chancen zur Rehabilitierung für die Dienste

Aufgrund solcher Erkenntnisse könnte der Auslandsnachrichtendienst vor einer Renaissance stehen. Er könnte in eine Position im politischen Zusammenspiel zurückkehren, die er bereits während der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder innehatte. Dieser ließ sich während seiner Amtszeit immer wieder mal direkt vom damaligen BND-Präsidenten August Hanning in Kenntnis setzen. “Ich war wenige Stunden nach den Terroranschlägen am 11. September 2001  in den USA bei Schröder, um unsere Informationen dazu vorzutragen”, erinnert sich Hanning. Auch Außenminister Joschka Fischer fragte oftmals an.

Neben dem BND steigt auch für den Verfassungsschutz, den Inlandsgeheimdienst, die Chance zur Rehabilitierung. Mehr als 2000 Islamisten aus Europa sollen sich inzwischen dem IS angeschlossen haben. Dschihadisten aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und anderen Ländern werden in der Region im Bombenbau und an Schusswaffen ausgebildet. Viele sind an Gräueltaten wie Massenerschießungen oder Enthauptungen von Geiseln beteiligt. Und einige der europäischen Terrorkämpfer kehren, radikalisiert und kampferprobt, in ihre Heimatländer zurück.

Erst im Mai hatte ein Syrien-Heimkehrer im Jüdischen Museum von Brüssel vier Menschen erschossen. Der französische Extremist war zuvor über den Flughafen Frankfurt in die Europäische Union eingereist. Weil ihn die französischen Behörden nur zur verdeckten Fahndung ausgeschrieben hatten, wurde er nicht festgenommen. Der Islamist konnte ungehindert weiterreisen und ein paar Wochen später zuschlagen.

Deutschland hat Interesse an “Five Eyes”

In ganz Europa warnen Sicherheitspolitiker seitdem noch dringlicher vor der Gefahr der Dschihad-Rückkehrer. Auf der Ebene der Nachrichtendienste soll – so fordern es auch Politiker in Deutschland – die Kooperation mit den internationalen Partnern ausgebaut werden. Ein Attentat wie in Brüssel soll sich nicht wiederholen. In Deutschland bedeuten die Reisebewegungen der Islamisten nach Syrien und in den Irak eine hohe Arbeitsbelastung sowohl für den Inlands- als auch für den Auslandsdienst.

Mehr als 400 Ausreisen zählt der Verfassungsschutz. Rund 100 Islamisten sollen inzwischen zurückgekehrt sein, einige mit Kampferfahrung. Manche von ihnen sollen sich “auffällig unauffällig” verhalten.

Dieses Wissen über die Krisen im Ausland und die möglichen Folgen im Inland – all das landet auf Fritsches Schreibtisch. Umso wichtiger ist die Kooperation mit internationalen Partnern. Erst vor ein paar Tagen kehrte er aus den USA zurück. Unter anderem war er dort, um sich über die Arbeit der “Five Eyes” zu informieren – des mächtigen Nachrichtendienstverbunds, zu dem sich Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland und Amerika zusammengeschlossen haben. Von diesem Wissen möchte auch Deutschland stärker profitieren. Fritsche arbeitet deshalb an einer Vereinbarung über die künftige Zusammenarbeit. Er weiß, dass die deutschen Dienste zwar viel mitbekommen – am Ende aber immer nur über ein paar Puzzleteile des Weltgeschehens verfügen.

Der Artikel auf welt.de

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Gibt es bald den “Dschihadisten-Pass”?

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Gibt es bald den “Dschihadisten-Pass”?

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Mit rund einer Stunde Verspätung trat Bundesinnenminister Thomas De Maizière am Donnerstagnachmittag in Berlin-Treptow an das Mikrofon. De Maizière hatte sich länger als ursprünglich geplant von den Experten des Verfassungsschutzes, des Bundeskriminalamtes und des Bundesnachrichtendienstes im “Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum” (GTAZ) über die Reisebewegungen von Islamisten aus Deutschland nach Syrien und in den Irak unterrichten lassen.

Anschließend trat der Minister zur Pressekonferenz vor die versammelten Medienvertreter. Die Lage sei ernst, so De Maizière. Mehr als 450 Islamisten seien bereits aus Deutschland in die Krisenregion ausgereist. Die überwiegende Mehrheit habe sich der Terrororganisation “Islamischer Staat” angeschlossen. Und sei teilweise auch an deren Gräueltaten beteiligt. Rund ein Drittel der Extremisten sei inzwischen zurückgekehrt, davon einige mit Kampferfahrung.

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“Wir müssen verhindern, dass diese radikalisierten Kämpfer ihren Dschihad erfolgreich in unsere Städte tragen”, sagte De Maizière. Die Syrien-Rückkehrer hätten “gelernt, zu hassen, zu töten und zu kämpfen“. Primäres Ziel müsse es daher sein, betonte der Minister, schon die Ausreise von gewaltbereiten Islamisten zu verhindern. Dies sei unter anderem mit einer Ausreise-Untersagung durch die Behörden möglich. Dabei wird der Reisepass einer Person entzogen, wenn es hinreichende Erkenntnisse gibt, dass diese sich im Ausland am bewaffneten Kampf beteiligen möchte.

Problem nur: Für eine Reise in die Türkei, das Haupttransitland von Dschihadisten auf dem Weg nach Syrien, reicht für EU-Staatsbürger ein Personalausweis völlig aus. Den allerdings dürfen deutsche Behörden nach bestehender Gesetzeslage nicht entziehen. Und auch nicht mit einem Warnhinweis markieren.

Was also tun gegen die Dschihad-Touristen?

Aus Kreisen des Bundesinnenministeriums ist schon seit geraumer Zeit zu hören, dass über eine Änderung im Passrecht nachgedacht wird. Um so beispielsweise den Personalausweis kennzeichnen zu können. In der WELT am Sonntag hatten Florian Flade und Claus Christian Malzahn bereits vor zwei Wochen über eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern berichtet, die aktuell im Auftrag des Innenministeriums prüft, welche Maßnahmen gegen die Dschihad-Reisenden durchgeführt werden können.

Mitte Oktober soll das Ergebnis der Prüfung bei einer Sondersitzung der Innenministerkonferenz präsentiert werden, erklärte De Maizière bei der Pressekonferenz am Donnerstag: “Wir können nicht bis zur nächsten regulären Konferenz im Dezember warten.”

Der CDU-Politiker präsentierte sodann auch einen überraschenden Vorschlag zur Gesetzesänderung. Gewaltbereiten Islamisten soll nach dem Willen des Innenministers künftig der Personalsausweis vollständig entzogen werden. Anschließend sollen die Extremisten ein Ersatzdokument erhalten, mit dem ihnen jegliche Ausreise verboten ist – sozusagen ein “Dschihadisten-Pass”.

Außerdem müsse umfangreich geprüft werden, ob nicht jenen Islamisten mit doppelter Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt werden könne. “Ich kann mir das vorstellen”, erklärte De Maizière. Betroffen wären von der Ausbürgerung rund 100 Islamisten. Den ausländischen Dschihadisten müsse zudem die Rückkehr in die Bundesrepublik verwehrt werden. Dies werde derzeit bereits umgesetzt, so der Minister.

Das WDR-Magazin MONITOR hatte am Donnerstag berichtet, dass die Bundesregierung angeblich jahrelang gewaltbereite Islamisten nicht an der Ausreise gehindert habe. Ludwig Schierghofe, Abteilungsleiter Terrorismusbekämpfung und Staatsschutz beim Bayerischen Landeskriminalamt hatte gegenüber MONITOR erklärt, es sei Praxis gewesen, die Ausreisen von Extremisten nicht pauschal zu verhindern, sondern in einigen Fällen sogar ausländerrechtlich zu unterstützen. “Zum Schutz unserer Bevölkerung”, wie der Staatsschützer erklärte. Bis Herbst 2013 soll dies so gehandhabt worden sein.

Belegen soll dies zudem ein Protokoll der Innenministerkonferenz aus dem Mai 2009. Darin heißt es, die Verhinderung von Islamisten-Ausreisen solle “ergebnisoffen am Einzelfall orientiert” zu prüfen. Handelten deutsche Behörden demnach nach dem Motto “Wenn die tickende Bombe explodiert, dann lieber im Ausland und nicht hier”?

Thomas De Maizière wies diesen Vorwurf zurück. “Ich kann das nicht bestätigen”, so der Minister auf Nachfrage.

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Soll der Staat Geiseln freikaufen?

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Soll der Staat Geiseln freikaufen?

pic201014 Am Ende war es ein Nervenkrieg. Die Terroristen der philippinischen Abu Sayyaf drohten damit ihre Geiseln, den deutschen Segler Stefan O. und seine Lebensgefährtin Henrike D., zu ermorden, sollte die Bundesregierung nicht endlich das geforderte Lösegeld bezahlen. Am vergangenen Donnerstag lief das Ultimatum aus, das die Islamisten gestellt hatten. Um wenige Stunden wurde es dann verlängert. Und schließlich kamen die Geiseln frei.

Wieder einmal nahm die Entführung von deutschen Touristen ein glückliches Ende. Und offenbar floss wieder Lösegeld aus Deutschland an die Geiselnehmer. Von mehreren Millionen Euro ist die Rede.

In Berlin wird das dementiert. Auf den Philippinen prahlen die Terroristen hingegen: „Wir haben das Lösegeld erhalten.“

Das Thema Lösegeld ist ein Tabu, wie wir in der heutigen Ausgabe der WELT berichten. Deutschland will sich nicht erpressbar machen. Noch schlimmer aber ist es aus Sicht der Bundesregierung, den Tod von Staatsbürgern in Kauf zu nehmen. Immerhin verpflichtet das Grundgesetz den Staat für das Wohl seiner Bürger zu sorgen. Eine Prämisse, die wohl alle Zweifel an der Lösegeld-Praxis aus dem Weg räumt, wie Torsten Krauel kommentiert.

In der WELT am Sonntag berichteten wir im August über das Dilemma durch die Geiselnahmen. Soll ein Staat mit Terroristen verhandeln? Sind Millionen-Gelder nicht noch Anreiz für weitere Entführungen?

Anlass damals war der Fall eines 27-jährigen Brandenburgers, der sich ein Jahr lang in den Händen der Terroristen des „Islamischen Staates“ (IS) in Syrien befand. Der Mann kam frei. Das Auswärtige Amt wollte sich zu Lösegeld-Frage nicht äußern.

Mittlerweile ist die Ex-Geisel ein wichtiger Zeuge für deutsche Behörden geworden. Denn Toni N. war wohl gemeinsam mit anderen westlichen Geiseln gefangen gehalten worden. In einer Befragung durch das Bundeskriminalamt (BKA) soll der Brandenburger angegeben haben, jenen Terroristen an der Stimme erkannt zu haben, der wohl den US-Journalisten James Foley ermordet hat.

Für Joleys Freilassung hatten die IS-Dschihadisten eine horrende Lösegeld-Summe verlangt. Die US-Regierung aber weigert sich mit Terroristen Geschäfte zu machen. James Foley starb. Enthauptet vor laufender Kamera. Schreckliche Bilder, die es nach dem Willen der Bundesregierung von deutschen Staatsbürgern nicht geben soll. Und so wird wohl auch in Zukunft weiter bezahlt werden.

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Kriegsverbrechen im Namen Allahs

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Kriegsverbrechen im Namen Allahs

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Blutüberströmte Leichen liegen in der Wüste verteilt. Einigen fehlen Gliedmaßen, viele der Menschen wurden per Kopfschuss getötet. Fared S., ein deutscher Islamist aus Bonn, läuft umher und filmt die Toten mit einer Handkamera. Er beleidigt sie.

Das verstörende Video stammt aus Syrien. Aufgenommen wurde es nach einem Angriff der Terrororganisation “Islamischer Staat” (IS) auf das Gasfeld Al-Shaer in der Provinz Homs im Juli 2014. Mehr als 200 syrische Soldaten und Zivilisten sollen dabei von den Dschihadisten getötet worden sein.

Hans-Georg Maaßen, Präsident des Verfassungsschutzes, spielte das Video während eines Fachgesprächs zum Thema Islamismus im Unterausschuss des deutschen Bundestages im Oktober vergangenen Jahres vor. “Ich hatte entschieden, das Ihnen nicht vorzuenthalten”, sagte Maaßen den versammelten Politikern und Islamismus-Experten. “Weil meine Mitarbeiter sich jeden Tag diesen Dreck im Internet anschauen müssen.”

Das geschieht im “Gemeinsamen Internetzentrum” (GIZ) auf dem Gelände des Bundeskriminalamtes (BKA) in Berlin-Treptow. Hier arbeiten rund 50 Experten aus Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt (BKA), Bundesnachrichtendienst (BND) und Militärischen Abschirmdienst (MAD) gemeinsam mit einem Vertreter der Bundesanwaltschaft. Tagtäglich analysieren die Islamwissenschaftler, Kriminologen und Arabistiker die Flut an islamistischen Propagandavideos. Sie surfen in einschlägigen Internetforen, beobachten Facebook-Profile, Youtube-Kanäle und Twitter-Accounts von Dschihadisten. Und stoßen dabei regelmäßig auf brutalste Gräuelvideos von Enthauptungen, Massenerschießungen und Steinigungen.

Die Liste der schrecklichen Aufnahmen ist nahezu unendlich, die Grausamkeit der Bilder kaum unvorstellbar. In Ermittlerkreisen keimt aufgrund dieser Taten der IS-Terroristen schon länger der Wunsch, die Ermittlungen gegen deutsche Dschihadisten auszuweiten. Mehrere hundert Islamisten aus der Bundesrepublik sollen auf Seiten des IS in Syrien und dem Irak kämpfen.

Bislang werden vor allem zwei Paragraphen des Strafgesetzbuches im deutschen Anti-Terror-Kampf angewendet. Paragraph 129, der die Mitgliedschaft und Unterstützung von terroristischen Organisationen unter Strafe stellt. Und Paragraph 89, der die Vorbereitung eines Terroranschlages bestraft. Letzterer gilt als “Gummiparagraph”, weil es sich oft als nahezu unmöglich erweist Terrorverdächtigen nachzuweisen, dass sie eine schwere Straftat begehen wollen.

“Viele Straftaten, die im Irak und Syrien begangen werden, gehen jedoch über diese Vorwürfe hinaus”, sagte uns ein langjähriger Ermittler. “Ich denke, wir können bei vielen Morden schon von Kriegsverbrechen sprechen.”

Die Bundeswaltschaft in Karlsruhe sieht dies offenbar ähnlich. Dort ermittelt man bereits in mindestens zwei Fällen gegen deutsche Dschihadisten wegen des Verdachts der Begehung von Kriegsverbrechen (Völkerstrafgesetzbuch § 8). In der WELT am Sonntag haben wir darüber exklusiv berichtet. Hintergrund der Ermittlungen sind insbesondere die Propagandavideos, die Tötungen von syrischen Soldaten und Zivilisten zeigen. Und in denen auch deutsche IS-Kämpfer mit den Verbrechen prahlen.

Nach unseren Informationen geht das Bundeskriminalamt (BKA) aktuell den Hinweisen nach, wonach der Berliner Ex-Rapper Denis Cuspert möglicherweise einen Syrer erschossen hat. Dies soll ein Video dokumentieren, das im vergangenen Jahr im Internet auftauchte. Darin zu sehen sind IS-Kämpfer, die Mitglieder des syrischen Al-Shaitat-Stammes hinrichten. Die Männer hätten sich geweigert, sich dem IS anzuschließen und stattdessen gegen die Terrorgruppe rebelliert.

Bei einer Rückkehr nach Deutschland könnte Denis Cuspert und anderen deutschen IS-Dschihadisten also eine Anklage auch wegen Kriegsverbrechen drohen. Und damit eine lebenslange Haftstrafe. Dies gilt allerdings aus Sicht der Ermittler als eher unwahrscheinlich. Es gäbe derzeit keine Strebungen der Terroristen zurückzukommen.

Das US-Außenministerium hat Denis Cuspert derweil offiziell zum Terroristen erklärt und Sanktionsmaßnahmen verhängt. Der Berliner habe sich freiwillig dem IS angeschlossen und sei ein “bereitwilliges Sprachrohr” der Terrorgruppe .

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BND-Maulwurf Markus R. bleibt in U-Haft

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BND-Maulwurf Markus R. bleibt in U-Haft

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Quelle: dpa

Die Nachricht vom BND-Mitarbeiter, der offenbar jahrelang für den US-Geheimdienst CIA spioniert und interne Dokumente weitergegeben hatte, war eine Sensation. Im Juli 2014 hatte die Bundesanwaltschaft den BND-Mann Markus R. festnehmen lassen. Zu diesem Zeitpunkt gingen die Ermittler noch davon aus, dass es sich bei dem Geheimdienstmitarbeiter um einen Informanten der russischen Gegenseite handelte.

Markus R., beschäftigt in der Zentralregistratur der Fachabteilung “Einsatzgebiete und Auslandsbeziehungen”, hatte sich nämlich per E-Mail an das Russische Generalkonsulat in München gewandt und drei interne BND-Papiere zum Kauf angeboten.

Die deutsche Spionageabwehr des Verfassungsschutzes las die Angebots-E-Mail mit. Bei seiner Festnahme aber offenbarte Markus R. dann eine Überraschung: Seit Jahren schon habe er Unterlagen nicht etwa an die Russen verkauft, sondern an den US-Geheimdienst.

Die Karlsruher Bundesanwaltschaft ermittelt nun bereits ein halbes Jahr gegen Markus R. wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit gegen die Bundesrepublik. Seit dem 2. Juli 2014 sitzt der BND-Mann in Untersuchungshaft. Und wird dort wohl noch eine Weile verbringen müssen.

Der Bundesgerichtshof hat Ende Januar die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet, wie aus dem Haftprüfungs-Beschluss hervorgeht, der uns vorliegt. Es bestehe der “Haftgrund der Fluchtgefahr”, so das Gericht. Womöglich erhalte Markus R. nach einer Freilassung bei seiner Flucht sogar “Unterstützung US-amerikanischer Stellen”, heißt es weiter.

Anfang 2010 hatte Markus R. nach eigenen Angaben per E-Mail die US-Botschaft in Berlin kontaktiert. Er fragte, ob Interesse an Informationen aus dem Sicherheitsbereich bestünde. Die Amerikaner bejahten. R. lieferte fortan, und wohl bis kurz vor seiner Festnahme, mindestens 200 interne BND-Dokumente. Darunter eine BND-Datenbank mit den Namen von rund 3.500 aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern.

Im Juni 2012 bekam der BND-Maulwurf wohl bei einem Treffen mit einem US-Kontaktmann in Österreich einen Laptop der Marke ACER mit einer vorinstallierten Kommunikationssoftware. Damit konnte Markus R. verschlüsselt mit seinen CIA-Kontakten kommunzieren. Der Laptop werde derzeit noch ausgewertet, heißt es in dem Dokument des Bundesgerichtshofs, was sich als “technisch außerordentlich schwierig und zeitaufwändig erweist”.

Bis zu 75.000 Euro in bar soll Markus R. von den amerikanischen Agenten für seine Spitzeleien erhalten haben – bei Treffen im Ausland übergeben und in Verstecken platziert. Davon hat er nach Erkenntnissen der deutschen Ermittler rund 40.000 Euro seinem Vater gegeben, der das Geld unter vorgetäuschtem Verwendungszweck auf das Konto von Markus R. eingezahlt haben soll.

In drei Monaten findet eine erneute Haftprüfung statt. Bis dahin wird Markus R. jedoch nicht auf freien Fuß gesetzt werden. “Die Untersuchungshaft hat fortzudauern”, so die Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

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Investigativ in den Medien am Mittwoch

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Investigativ in den Medien am Mittwoch

Print/Digital

Spionage: Der Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Überwachungspraxis von Nachrichtendiensten wurde vermutlich ausgespäht. Nach Informationen der Welt besteht der Verdacht, dass das Krypto-Handy zur verschlüsselten Kommunikation des Ausschussvorsitzenden Patrick Sensburg gehackt wurde.

Ukraine: Ein verletzter russischer Panzerfahrers gesteht: Die Schlacht von Debalzewe wurde auf Befehl des Kremls von russischen Soldaten geführt. Aufgezeichnet wurde die Geschichte von einer Journalistin der russischen Zeitung Nowaja Gazeta.

Ausbildungsmission: Im Nordirak verstärkt die Bundeswehr ihr Training für die Peschmerga; offiziell gilt die Mission als halbwegs sicher. Doch nach Informationen von Spiegel Online wappnet sich die Truppe gegen Anschläge des IS.

USA: Die frühere US-Außenministerin Hillary Clinton hat laut New York Times während ihrer vierjährigen Amtszeit kein offizielles E-Mail-Konto gehabt und daher auch für ihre diplomatische Korrespondenz ihre private Adresse benutzt. Damit hat sie womöglich gegen Auflagen verstoßen.

Hörfunk/TV

Spionage: Um einen Informanten zu schützen, hat der BND laut NDR und Süddeutscher Zeitung offenbar die Ermittlungsarbeit des Bundeskriminalamts  behindert und Ermittlungsgeheimnisse verraten.

Salafismus: Ein aus dem Schweizer Kanton Thurgau stammender Dschihadist hält seit vergangenem Oktober seine 22 Jahre alte Frau, eine Tübingerin, gegen ihren Willen in Syrien fest. Das sind die Ergebnisse des Rechercheverbunds der Stuttgarter Nachrichten und des Schweizer Radio und Fernsehens SRF.

Anschlagsgefahr: Im Zusammenhang mit der Terrorwarnung in Bremen sind neue Einzelheiten bekannt geworden. Nach Informationen von Radio Bremen gab es konkrete Hinweise auf einen drohenden Anschlag am Sonnabend. Es ging angeblich um Islamisten, die sich mit 60 israelischen Maschinenpistolen bewaffnet hatten. Die wichtigsten Hinweise kamen vom Zollkriminalamt in Köln.

Wochentäglich und am Sonntag liefert das WELT-Investigativteam einen Überblick über aktuelle investigative Geschichten in den Medien – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber mit den Ergebnissen vieler interessanter und exklusiver Recherchen. Der Überblick kann wie der Wochenbrief abonniert werden.

 

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Investigativ in den Medien am Donnerstag

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Investigativ in den Medien am Donnerstag

Print/Digital

Spionage: Neuseeland hat offenbar seine Verbündeten in der Pazifik-Region ausspioniert und die Daten an die USA weitergegeben. Dies geht aus geheimen Papieren hervor, die der New Zealand Herald veröffentlicht.

NSA-Ausschuss: Ein Akten-Versäumnis des Bundesnachrichtendienstes sorgt im NSA-Ausschuss für Unmut. Jetzt ist erstmals klar, in welchem Umfang Akten nicht weitergegeben wurden: Nach Informationen von Spiegel Online wurden mehr als 130 Dokumente nicht an das Gremium geliefert.

Wahlkampffinanzierung: Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Linke) hat den Landtagswahlkampf 2014 offenbar widerrechtlich mit Mitteln seines Ministeriums bestritten. Zu diesem Schluss kommt ein von der CDU-Landtagsfraktion in Auftrag gegebenes Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Landtags, das dem Prignitzer vorliegt.

Rundfunk/TV

Keine Stories

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#Watergate beim BND

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#Watergate beim BND

Foto: euroluftbild.de/Grahn

Es nimmt kein Ende. Die Pannen-Serie beim Neubau der BND-Zentrale in Berlin-Mitte geht in die nächste Runde. Seit Jahren schon jagt ein Skandal um das neue Geheimdienst-Hauptquartier den nächsten. 

Erst wurde bekannt, dass geheime Baupläne verschwanden, dann musste eine mangelhafte Klimaanlage für viel Geld wieder ausgebaut werden. Und wurde nicht ersetzt. Der Termin für den Einzug der Agenten verschob sich ständig. Die Kosten des Baus steigen stetig.

Jetzt kommt noch ein peinlicher Wasserschaden hinzu.

Wie die Berliner Zeitung berichtete, entdeckten Bauarbeiter am Dienstagvormittag in einem Gebäude der BND-Zentrale einen gewaltigen Wasserschaden, der sich über mehrere Etagen erstreckt. Bei Twitter kursiert seitdem #watergate als spöttischer Hashtag.   

Nach unseren Informationen liegt die Ursache des Wasserschadens in einem Gebäudeteil, der nicht zum Sicherheitsbereich der BND-Anlage gehört, sondern in einem Haus, das für Konferenzen und Besuchergruppen zur Verfügung stehen soll. Auf jedem der drei Stockwerke befinden sich jeweils zwei Tee-Küchen, daneben Putzräume, die mit Waschbecken ausgestattet sind.

Dort rissen Unbekannte offenbar vier von sechs Wasserhähnen heraus – Gesamtwert circa 100 Euro. Die restlichen beiden Wasserhähne wurden aufgedreht. Mindestens eine Stunde lang schoss das Wasser aus den Leitungen und ergoss sich auf den Fluren. Es sickerte durch die Etagen. Ersten Schätzungen zufolge könnte ein Schaden in Höhe von mehreren hunderttausend Euro entstanden sein.

Das Landeskriminalamt (LKA) Berlin hat inzwischen die Ermittlungen aufgenommen. Noch ist unklar, wer für die Sabotage verantwortlich ist. Ob sich Bauarbeiter einen Scherz erlauben wollten, oder ob ein politisches Motiv hinter der Tat steht.

Die BND-Baustelle wird per Video überwacht. Ein Einbruch gilt daher als unwahrscheinlich. Zugang zu den Gebäuden hatten jedoch Mitarbeiter diverser Baufirmen. Ein BND-Mann zeigt sich zuversichtlich: „Wir werden die Täter schon ausfindig machen.“

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Investigativ in den Medien am Donnerstag

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Investigativ in den Medien am Donnerstag

Print/Digital

BND/Bundeswehr: Nach Informationen von Zeit Online arbeiten die Bundeswehr und der deutsche Auslandsgeheimdienst BND viel enger zusammen als bisher bekannt und vom Gesetz erlaubt. Die Bundeswehr erhalte vom BND regelmäßig Millionen von abgehörten Daten. Im Gegenzug helfe die Armee den Agenten dabei, deren heimlich mitgeschnittene Gespräche auszuwerten.

Pharma-Milliardäre: Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt nach Informationen des manager magazins gegen die Unternehmer Thomas und Andreas Strüngmann wegen des Verdachts des steuerlichen Missbrauchs eines Aktienfonds. Die Brüder, die 2005 das Pharmaunternehmen Hexal für mehrere Milliarden Euro an den Baseler Konzern Novartis verkauften, sind Eigentümer der Südwestbank und zahlreicher Beteiligungen in der Biotechbranche.

Hörfunk/TV

Sachsen-Anhalt: Nach Recherchen des MDR-Magazins Exakt beläuft sich der Schaden im Fördermittelskandal um die IBG Beteiligungsgesellschaft des Landes Sachsen-Anhalt auf mehr als 700.000 Euro. Der Verlust könnte jedoch in die Millionen gehen. Das Finanzministerium Sachsen-Anhalt räumte gegenüber dem Magazin erstmals ein, dass bei mindestens zwei Förderungen der IBG gegen EU-Regeln verstoßen wurde.

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